Ein Kommentar von Sebastian Kahlcke, SPD OV Friedrichstadt
Die Bundesregierung hat beschlossen, die Stromsteuer nur für Industrie und Landwirtschaft zu senken – für private Haushalte hingegen bleibt alles beim Alten. Als SPD-Mitglied und Bürger dieses Landes frage ich mich: Wie oft wollen wir eigentlich noch zuschauen, wie die Entlastungen an denen vorbeigehen, die sie am dringendsten brauchen?
In fast jedem Wahlkampf der letzten Jahre wurde eines versprochen: Die privaten Haushalte, insbesondere Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen, sollen entlastet werden. Doch was passiert stattdessen? Die Industrie bekommt eine Erleichterung – die Privatverbraucher bekommen lasche Ausreden warum es für sie nicht ginge. Die Begründung, warum es bei den Privathaushalten angeblich nicht geht? Eine Senkung würde fünf Milliarden Euro „kosten“. Aber was bitte kostet hier eigentlich?
Eine Steuer nicht zu erheben ist keine Ausgabe – es sind entgangene Einnahmen – es werden keine Kosten verursacht. Und dass diese Einnahmen stets aus den Taschen der Verbraucherinnen und Verbraucher kommen, scheint kein Problem zu sein. Kreativität bei der Haushaltskonsolidierung darf aber offenbar nur dort walten, wo sie die mächtigen Lobbyinteressen nicht stört. Wo bleibt der politische Wille, stattdessen endlich die Konzerne zu besteuern, die Milliardengewinne machen – und sich mit Steuervermeidungsmodellen an unserer Solidargemeinschaft vorbeimogeln?
Strom ist in Deutschland teuer – vor allen wegen der Steuern
Laut Bundesnetzagentur liegt der durchschnittliche Strompreis für Haushalte derzeit bei etwa 33 Cent pro Kilowattstunde (Stand 2024). Davon sind über 40 % Steuern, Abgaben und Umlagen:
- 19 % Mehrwertsteuer
- §19-StromNEV-Umlage
- Konzessionsabgabe
- Offshore-Netzumlage
- KWK-Umlage (Kraft-Wärme-Kopplung)
- Stromsteuer (derzeit 2,05 ct/kWh für Haushalte)
Was übrig bleibt, ist der eigentliche Energiepreis – doch den sieht der Verbraucher kaum, weil der Staat kräftig mitverdient. Übrigens: Industrie und Gewerbe zahlt sowieso schon einen deutlich niedrigeren „Industriestrompreis“, der jetzt noch weiter gesenkt wird.
Dennoch scheut sich die Politik, hier auch nur ansatzweise für Entlastung der Bevölkerung zu sorgen. Stattdessen werden angebliche „Kosten“ ins Feld geführt, wenn es um eine gerechtere Strompreisgestaltung für private Haushalte geht. Gleichzeitig bleibt der politische Mut aus, die Profiteure unseres Systems anderweitig zur Kasse zu bitten um die fehlenden Steuereinnahmen aufzufangen – etwa Digitalkonzerne, die mit Millionen Kundendaten operieren, aber ihre Gewinne außerhalb unseres Steuerrechts realisieren. Leider ist dies eine Entwicklung, die auch von der Führungsriege meiner eigenen Partei mitgetragen wird.
Es geht nicht nur um Geld – es geht um Gerechtigkeit
Wenn die Regierung die Stromsteuer für große Energieverbraucher senkt, aber nicht für Millionen Menschen mit steigenden Lebenshaltungskosten, dann ist das eine Prioritätensetzung. Eine, die ich persönlich nicht mittrage. Ich halte es für einen schweren Fehler, dass wir als SPD diese Politik mittragen – oder zumindest nicht entschieden genug dagegenhalten. Wir dürfen nicht weiter hinnehmen, dass Menschen, die abends das Licht anmachen, mehr Solidarität zeigen müssen als Unternehmen, die Hallen heizen und Maschinen im Dauerbetrieb laufen lassen. Zumal die Privatvhausthalte in Deutschland nur 25% der Verbraucher ausmachen – welche ungleich höheren „Kosten“ entstehen also für die Entlastung der Industrie?! Dazu wurden natürlich keine Zahlen veröffentlicht – frage ich die gängigen KIs kommen diese auf eine Summe zwischen 5,5 bis 9 Milliarden Euro. Okay – „Kosten“ zu verursachen ist scheinbar nur dann in Ordnung, so lange man damit hauptsächlich die Großkonzerne befriedigt.
Übrigens: Keine noch so pessimistische Rechnung kommt auf die angeblich fehlenden 5 Milliarden Euro fehlender Steuereinnahmen, wenn die Privathaushalte entlastet werden würden. (Auf Basis der Daten der Bundesnetzagentur und des BDEW kommt man hier auf ca. 1,5-3 Milliarden Euro. )
Fazit: Zeit für eine Politik, die wieder nach unten schaut
Die Entlastung der Industrie ist leicht zu verkaufen – angeblich geht es um Arbeitsplätze, Standortattraktivität, Wettbewerbsfähigkeit. Doch die Realität ist: Auch in privaten Haushalten geht es bei einem nicht zu verachtenden Teil der Bevölkerung ums „Überleben“. Es geht um Mieter, Rentnerinnen, Alleinerziehende, Studierende – Menschen, für die jede Entlastung zählt – auch wenn es nur 2 Cent weniger wären. (Fairer wäre eine generelle Überarbeitung der Bepreisung von Rohstoffen die Grundbedürfnisse decken – wie Strom, Wasser und Gas). Wenn wir uns als SPD nicht klar auf ihre Seite stellen, verlieren wir weiter an Glaubwürdigkeit. Nicht nur bei Wahlen. Sondern auch dort, wo es wirklich zählt: Im Alltag der Menschen.
Quellen:
BDEW Strommix & Verbrauchsstruktur:
https://www.bdew.de/media/documents/20240214_BDEW-Stromverbrauch-2023.pdf
(Dort: Stromverbrauch nach Sektoren – Tabelle auf Seite 2)
Bundesnetzagentur Monitoringbericht (Stromverbrauch, Preisbestandteile etc.):
https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Monitoringberichte/Monitoringberichte-node.html
(Aktuellster Bericht: 2023)